Schneeflöhe
...
auf der Alb? |
Dank
mitgeteilter
Beobachtungen von Physiker Gerhard Dangelmaier, NWT-Lehrer i.R., 2.
Vors. DAV
Geislingen, Naturkundler und Ski-Langläufer: ... Ja: derzeit (März 2013) bei Drackenstein |
Schneeflöhe kommen bei Temperaturen wenig über dem
Gefrierpunkt, im Februar/März, aus dem Boden hervor und springen
auf die geschlossene Schneedecke.
Sie könnten auf dem Schnee mit
Ruß
verwechselt werden. Aber die "Partikel" haben alle +/- die gleiche
Größe, ca. 1 mm Länge. ... und sie krabbeln und
hüpfen.
Bei ihren Wanderungen färben sie mitunter den Schnee schwarz.
Sie können sehr unangehm sein: In früheren
Zeiten "überschwemmten" sie einen Bahnhof zu Milliarden. Man
fürchtete, sie könnten Züge zum Entgleisen bringen, und
kehrte sie zur Seite. "Flöhe kilogrammweise".
Auch in
Gebäude drangen sie schon ein.
Fantastisch ist:
Sie mögen es kalt.
Sozusagen fast eiskalt.
Etwas über Null, und sie legen los. Wer kommt da mit?
Allerdings sind sie meist harmlos, ... und keine
Flöhe/Flöhinnen,
sondern Springschwänze, eine
Ur-Insektengruppe, die man auch von Blumentöpfen kennt.
Manchmal finden sich die Schneeflöhe in Loipenspuren,
Treckerfahrspuren oder tiefen Fußstapfen im Schnee, tot oder
lebendig.
zoomen mit +
oder -
Schneeflöhe "live" auf verharschter, angetauter
Schneeoberfläche
Hinterleib mit Sprunggabel, "Brust" mit 3 Beinpaaren,
Kopf mit 2 Fühlern (Haftblasen tw. ausgefahren)
zu
Springflöhen allgemein, insbesondere zur Sprunggabel
Schneefloh-Fallen:
Mit Hindernissen von ca. 10 cm Höhe haben die Tiere deutliche
Probleme.
Es ist für ihre Sprunghöhe wohl etwas zu hoch und der
Haftmechanismus funktioniert nicht, weil der Grund zu nass ist.
Am nächsten Morgen, nach Frost, sind die Spuren wieder leer; bis
auf die einem "Verkehrsunfall" zum Opfer gefallenen Tiere.
Eigentlich könnte man gut die Verbreitung kartieren, indem
Ski-Loipen abgefahren werden.
Film 3:
Schneeflöhe in Tautropfen der sonnenbeschienenen
Schneeharsch-Oberfläche gefangen.
Einer schafft es heraus. (Wiedergabegeschwindigkeit reduzieren).
Manchmal frieren sie hier ein.
Manche, sehr wenige, der über
1 Milliarde Tiere großen Kolonie, finden an Zweigen von
Wacholdern (Juniperus communis)
Nahrung.
Sie fressen Algen, Pilze und Stäube, wo diese von kürzlich
geschmolzenem
Schneewasser durchtränkt sind (5.3.13).
Die blau-violette Färbung der Tiere wird insbesondere durch das
Fotografieren sichtbar:
Film 4:
Schneeflöhe auf der Horizontalen (dorsal, über
Millimeter-Papier) in einer Klarsicht-Schachtel (Polystyrol).
An den Fühlern haben sie ausfahrbare Haftblasen, die sie beim
Starten und Landen benutzen.
Schneefloh mit ausgefahrenen Haftblasen an den Fühlern,
rechts unten am Hinterleib die Sprunggabel
Film 5:
Schneeflöhe in der Vertikalen einer senkrecht gestellten
Klarsicht-Schachtel (dorsal).
Es sind relativ weniger, die an der senkrechten Wand aktiv sind. Aber
sie haften nicht nur, sie laufen sogar auf der glatten Oberfläche,
hin und her. Dank Ventraltubus und Klebhaaren.
Manche haben es übrigens geschafft, aus der geschlossenen
Schachtel mit überlappenden Rändern zu flüchten.
Sprungweite anschließend 2-5 cm.
Sie sind als weiche, flexible Organismen Spezialisten kleinster
Hohlräume.
Trotzdem: Zimmertemperaturen bringen den Tod innerhalb einer Stunde.
Eine solche Kolonie wie
bei Drackenstein hat selbst manch Springschwanz-Experte noch nicht
gesehen.
Inzwischen gibt es auch einen
wissenschaftlichen Namen für den Drackensteiner Schneefloh.
Tatsächlich ist nicht jeder "Schneefloh" derselbe, sondern als
"Schneefloh" werden verschiedene Arten unterschiedlicher Gattungen
im Deutschen bezeichnet
(z.B. aus den Gattungen Isotoma/Desoria, Vertagopus, Hypogastrura,
Ceratophysella, Boreus ("Winterhaft"!))
Dr. Thomas Stierhof (pdf),
Projektwissenschaftler am Naturkundemuseum
Karlsruhe, bestimmte die Art schliesslich
(Milchsäure-Vorbereitung, hohe, 400-fache Vergrößerung;
7.3.2013)
als
Ceratophysella sigillata
Uzel 1891
Diese Art wird von Prof. em.
Jürg Zettel und seiner Arbeitsgruppe
in der Schweiz (ehem. Uni Bern) seit langem intensiv studiert: pdf Zettel
& Zettel
Die wohl besten Springschwanz-Seiten (Frans Janssens, Universität
Antwerpen) sind hier: collembola.org
Einen deutschen Namen für die
Art gibt es bisher nicht.
Eine sinnvolle wörtliche Übersetzung des
lateinischen Gattungnamens lautet "Blasenhörnler".
Auf dem Bild unten, durch Wärme und Trockenheit verstorbene Tiere,
erkennt man, was mit "cerato" = Horn, gemeint ist.
"sigillatus" bedeutet wörtlich u.a. "versiegelt". Unter dem Schnee
eingeschlossen?
Der "vom Schnee eingeschlossene Blasenhörnler" oder kurz "Schnee-Blasenhörnler"
(C. bengtssoni ist auch
winteraktiv)
Ceratophysella
sigillata ist holarktisch verbreitet, also auf der
mittleren und
nördlichen Nord-Halbkugel der Erde.
Hier wiederum bevorzugt die Art subkontinentale Klimagebiete, in Europa
vor allem entlang Karpaten, Sudeten, Alpen. Sie fehlt
im atlantischen Klima.
Einziger Fundort im Mittelmeerraum ist (bislang) Kreta.
In Mitteleuropa ist zumindest gebietsweise Hypogastrura socialis viel
häufiger.
Dank an Dr.
Thomas Stierhof, Prof. em. Jürg Zettel, Dr. Hans-Jürgen
Schulz, Dr. Ulrich Burkhardt und Frans
Janssens, und Gerhard Dangelmaier für viele
Informationen!
Bericht im
SWR: Schneeflöhe:
Winzlinge auf Nahrungssuche
12.3.2013: Aus
München-Hohenbrunn wird von einer
seit Sonntag
(10.3.) und bis mind. 12.3. andauernden "Invasion"
berichtet. Nachmittags werde insbesondere
eine Garagenwand heimgesucht.
Sie sehe aus wie ein "lila Spiegel". Manche Ecken in
Bodennähe seien schwarz.
22.3.: Sie sind wieder da. Es sei wärmer geworden, um Null.
Ihr Code-Wort: "Es taut". Altitude 560-570 m a.s.l.
29.3.2013: Unweit der bekannten
Schneefloh-Kolonie von Drackenstein ist eine zweite,
größere, "einzelgängerische", wohl weiter verbreitete
Schneefloh-Art bzw. Springschwanzart auf dem Schnee
aktiv. Sie wurde auch schon am 5.3. beobachtet.
8.4.2013: Springschwänze auf
der Wasseroberfläche einer Regentonne in Kirchheim/Teck, 320 m
a.s.l.,
ca. 0-10 °C: Sie lassen sich treiben, laufen über's Wasser und
hüpfen auch noch. Sie sind extrem wasserabstoßend, quasi
unbenetzbar. Film